Margarete Peters

Margarete, wie war dein beruflicher Werdegang? War das ein klassischer Weg oder gab es Abweichungen?

Eigentlich war es ein klassischer Weg. Geboren am Niederrhein, Abi 1977, Studium Erziehungswissenschaft, Psychologie und Soziologie in Düsseldorf, Abschluss als Diplom-Pädagogin. Noch zwei Jahre Arbeit an der Universität.

Genug vom Elfenbeinturm Wissenschaft, hinaus ins wirkliche Leben. Bildungsreferentin bei der Deutschen Angestellten Gewerkschaft, heute Ver.di. Meine wichtigste Erfahrung dort: die 35 Stundenwoche, das Kampfthema der Gewerkschaften damals, galt nicht für mich als Mitarbeiterin. Das machte mir die Gewerkschaft als Arbeitgeber unglaubwürdig.

Ich wechselte und wurde Abteilungsleiterin Aus- und Weiterbildung in einem Handelskonzern: Verantwortung für 20 Mitarbeiter, 600 Auszubildende und ein Budget von 1/2 Million Euro. Dort lernte ich Mitarbeiter zu führen, Kostenstellenverantwortung und mich in Konzernstrukturen zu bewegen und zu behaupten.

 

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Hattest du deine jetzige Coaching- und Supervisionstätigkeit klar als Ziel oder hat sich das auf deinem Weg ergeben?

Das war damals eine große Herausforderung: Keine 30 Jahre alt, weder Führungserfahrung noch Kenntnis von Konzernstrukturen und Machtspielen. Ich wollte nur einen guten Job machen. Ein Freund riet mir zu einer Supervision – einer Beratung in beruflichen Fragestellungen. Der Begriff Coaching beschränkte sich Mitte der 90er fast ausschließlich auf den sportlichen Bereich. Mit der Unterstützung meines Supervisors habe ich so manche Führungsklippe umschifft und Machtspiele durchschaut.

Das waren meine Lehrjahre. Heute weiß ich, dass die Supervision mich vor einem Burnout – auch diesen Begriff gab es damals noch nicht – bewahrt hat. Ich wechselte noch einmal, dieses Mal auf die Arbeitgeberseite und wurde Abteilungsleiterin Berufliche Bildung bei einer Industrie- und Handelskammer.
Danach war der Weg in die Selbständigkeit klar. Ich begann eine dreijährige Ausbildung zum Coach und zur Supervisorin. Mein Motiv: Selbstbestimmt arbeiten, mein eigener Chef sein.

1997 machte mein Sohn die ersten selbständigen Schritte in den Kindergarten und ich machte mich auf in die Selbständigkeit. Seither berate ich Menschen bei der Bewältigung beruflicher Herausforderungen und Unternehmen, die mit einem besseren Arbeitsklima und zufriedenen Mitarbeitern mehr Gewinn erwirtschaften möchten.

Ich habe in deinem Profil „Interimsmanagerin Unternehmenskultur“ gelesen: Ich unterstütze Menschen und Unternehmen dabei, zu wachsen. Du nennst erst den Menschen und dann das Unternehmen, ist die Reihenfolge bewusst so von dir gelegt?

Die wichtigste Erkenntnis meiner Karriere: Nur eine gute Arbeitsplatzkultur, ein respektvoller Umgang miteinander und ein Chef, der nicht nur fordert, sondern auch fördert und unterstützt, bewegen Menschen dazu, ihr Bestes zu geben. Das ist eine Wechselwirkung. Wenn ich eine Führungskraft im Einzelcoaching dabei unterstütze, seine Führungsaufgabe besser wahrzunehmen, dann hat das positive Auswirkungen auf seine Mitarbeiter und das Unternehmen. Wenn ich ein Unternehmen dabei begleite, seine Informationsflüsse zu verbessern, z.Bsp. durch ein besseres Besprechungsmanagement oder die Einführung von Feedback-Gesprächen, dann haben die Mitarbeiter mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben – und die dienen dem Unternehmen.

Kannst du an einem Beispiel erklären, wie eine typische „Auftragsabwicklung“ abläuft?

Das Schöne an meinem Job: Es gibt kein typisch. Vielleicht das kostenlose Erstgespräch zu Beginn und die Auftragsklärung: Worum geht es eigentlich? Das Betriebsklima ist schlecht und der Krankenstand hoch? Hier sind Ursachenforschung und Interviews mit allen wichtigen Akteuren notwendig. Danach vielleicht ein Workshop zur Verbesserung der Zusammenarbeit, Coachings für die Führungskräfte oder ein betriebliches Gesundheitsmanagement. Das hängt von den Ergebnissen der Interviews ab. Reibereien zwischen Produktion und Vertrieb? Zuerst Gespräche mit jeder Abteilung einzeln, danach eine Konfliktmoderation oder ein Maßnahmenplan zur zukünftigen Zusammenarbeit. Je nachdem wie tief der Graben ist.

Über welchen Zeitraum erstreckt sich das?

Eine einzelne Maßnahme oder mehrere Jahre. Ein Beispiel: Ein kleines Unternehmen, 20 Mitarbeiter, der Chef möchte seinen 50. Geburtstag mit einem mehrwöchigen Urlaub feiern. Das Problem: „Zickenalarm“ in seiner Verwaltung. Wir haben einen Tag zusammen gearbeitet. Danach konnte er beruhigt in Urlaub fahren. In einigen Unternehmen bin ich mehrere Jahre hintereinander. Weil die Einführung von Mitarbeitergesprächen oder die Entwicklung eines Leitbildes seine Zeit braucht oder das Unternehmen ein ganzes Bündel von Personalentwicklungsmaßnahmen geschnürt hat. Und wenn der Schuh drückt, werde ich immer wieder geholt

Arbeitest du hauptsächlich alleine oder auch innerhalb eines Netzwerks?

Kollegen und Kolleginnen aus meinem Netzwerk decken die Bereiche Marketing, Vertrieb, Finanzen und Controlling ab. Mein Kooperationspartner ist außerdem das international aufgestellte Institut Great Place to Work, das jährlich die 100 besten Arbeitgeber Deutschlands auszeichnet.

Wie siehst du die Unternehmensentwicklung zur Zeit? Deutschland ist eines der wirtschaftlich erfolgreichsten Länder, demnach läuft doch alles gut in den Betrieben?

Vieles läuft gut in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern. Ein großes Problem: die demographische Entwicklung und damit der Fachkräftemangel. Zukünftig suchen sich nicht die Unternehmen die Bewerber aus, sondern umgekehrt. Umso wichtiger daher: eine Unternehmenskultur, die die Bewerber anzieht und bindet, die zum Unternehmen passen.

Oft werden schöne Begriffe wie Leitbild, Unternehmenskultur oder Unternehmensphilosophie auf den Webseiten und den Imagebroschüren von Unternehmen herausgestellt. Ist das die Wirklichkeit?

Ja, manchmal ist das die Wirklichkeit, aber immer noch viel zu oft klaffen Außendarstellung und Unternehmenswirklichkeit auseinander. Und das können sich immer weniger Unternehmen leisten, siehe Fachkräftemangel. Als Interimsmanagerin Unternehmenskultur unterstütze ich die Unternehmen dabei, die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu schließen. In größeren Unternehmen gehört auch der Betriebsrat mit ins Boot. Dabei kann ich auf meine Gewerkschaftserfahrungen zurück greifen. Das schafft Akzeptanz.

Kannst du uns die Begriffe Systemaufstellungen und key4you erklären und wie du sie in der Praxis einsetzt?

Systemaufstellungen setze ich zur Problemlösung ein. Fragen wie: Was ist die richtige Entscheidung? Welche Ressourcen werden gebraucht, um…Warum tritt das gleiche Problem immer wieder auf?… können mit dieser Methoden beantwortet werden. Die Beziehungssysteme, in die Menschen und Unternehmen eingebunden sind, beeinflussen sich gegenseitig. Sie können fördern, aber auch blockieren. Diese Beziehungssysteme werden in Systemaufstellungen durch die räumliche Anordnung sichtbar gemacht – das erfolgt durch Figuren und Symbole im Einzelcoaching oder durch Stellvertreter in einer Gruppe. So werden komplexe Zusammenhänge deutlich gemacht, Blockaden aufgelöst und Handlungsoptionen aufgezeigt, denn …Lösungen lauern überall!

Den key4you setze ich ein zur Potentialberatung von Einzelnen, Teams und Unternehmen. Das geschieht durch eine wissenschaftlich fundierte, datenbankgestützte Internetanwendung. Der key4you bildet die Schwerpunkte eines Unternehmens in den Bereichen Kunden-, Produkt-, Qualitäts- und Marktorientierung ab und zeigt auf, in welche Richtung sich das Unternehmen entwickeln muss. Als Persönlichkeitsinstrument beschreibt er die nicht nur die Stärken eines Menschen, sondern auch den aktuellen Entwicklungsstand und zu leistende Entwicklungsschritte. Der Teamschlüssel dient der Ermittlung aktueller Teamstrukturen, möglicher Entwicklungspotentiale und Synergien.

Nun mehr zu dir. Womit beschäftigst du dich in deiner freien Zeit und wie fließt das in deine Arbeit ein?

Ich reise gerne und so oft mein Job es zulässt. Zuletzt bin ich mit Freunden am Fuße des Himalaya gewandert. Nepal zählt zu den ärmsten Ländern der Welt und eine Wanderung im Schatten des Mount Everest relativiert so manches uns groß erscheinende Problem und macht gelassener. Ich besuche gerne interessante Weiterbildungen und integriere das dort Gelernte in meine Beratungstätigkeit. Ich lese gerne – auch Fachliteratur kann spannend sein – und treibe regelmäßig Sport. Und beim Kochen habe ich sowieso immer die besten Ideen – auch wenn es um das Problem eines Kunden geht.

Die Zusammenarbeit mit Menschen ist bestimmt sehr schön, aber doch auch sicher sehr kraftraubend. Woher schöpfst du deine eigene Energie?

Mein Beruf ist meine Berufung, er gibt mir mehr Kraft als er mir nimmt. Wenn ich erlebe, dass ein Mensch mit meiner Unterstützung ein Problem löst und ein Unternehmen sich weiter entwickelt, dann gibt mir das Energie und Lebensfreude und ich bin dankbar.

Dein Arbeits- und Lebensmittelpunkt ist Lemgo. Ist das ein guter beruflicher Standort und Wohnort für dich?

Auf jeden Fall. Lemgo hat für mich eine extrem hohe Lebensqualität. Die Stadt ist klein und überschaubar und dennoch habe ich hier alles was ich zum Leben brauche, inklusive Kultur, Shopping, Wochenmarkt und Restaurants. Ich wohne und arbeite mitten in der Stadt und kann alles zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen. Und von Bielefeld aus bin ich mit dem ICE schnell in Köln, Hamburg oder Berlin. Das hat was.

Wo siehst du dich in fünf Jahren?

In fünf Jahren habe ich mein Geschäft über Ostwestfalen hinaus bekannt gemacht und eine Zweigstelle in meiner alten Heimat dem Niederrhein gegründet. Und ich bleibe eine leidenschaftliche und manchmal unkonventionelle Menschen- und Unternehmensentwicklerin.

(Interview und Fotos: Reinhard Schwederski)